Der Fachkräftemangel ist für etliche Unternehmen inzwischen Realität. Besonders Handwerksbetriebe, die IT-Branche, die Gastronomie und der Gesundheitsbereich sind betroffen. Zum 1. März tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Damit verbindet sich die Frage: Kann die Anwerbung internationaler Fachkräfte ein Schritt sein, den Fachkräftemangel zu beheben?

Unter dieser Frage stand der Abend am 28.1. 2020 für den die WBS Training, als Gastgeber ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Unter der Moderation von Ute Lorenzen, Inhaberin von impu.l.s Organisationsberatung und Geschäftsführerin von impact virtual coaching  hatten sich Experten aus drei Bereichen als Veranstalter für diesen Abend zusammengetan, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Claudius Brenneisen, Fachanwalt für Migrationsrecht, Petra Niemann, Expertin für Internationale Rekrutierung bei der WBS, sowie Erika Shishido Lohmann von ilvy intercultural HR gemeinsam mit Ute Lorenzen für den Bereich interkulturelle Personal- und Organisationsentwicklung. Mit von der Partie war auch Ewald Aukes, FDP Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, um den Blick aus politischer Perspektive beizusteuern.

Das Thema des Abends wurde in einem World Café Format gestaltet und anschließend mit prägnanten Vorträgen, die Fragen der Teilnehmer beantworten: welche Rahmenbedingungen sind durch das neue Gesetz gegeben, was muss bei der Rekrutierung bedacht werden und wie kann schließlich die Einbindung der internationalen Fachkräfte so gelingen, dass diese auch dauerhaft bleiben?

Herr Brenneisen eröffnete die Vortragsrunde und beantwortete die konkreten Fragen zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, wobei dabei ein Schwerpunkt war, inwiefern das Verfahren für Unternehmen und Fachkräfte einfacher und schneller gestaltet werden wird. Genau dort in Form des „Beschleunigten Fachkräfteverfahrens“ liegen die größten Hoffnungen auf Verbesserungen. Die Bundesländer sind dabei zentrale Stellen einzurichten, um die Visaverfahren transparenter, serviceorientierter und schneller zu gestalten. Dabei sollen Zeugnisanerkennungen, Familiennachzug und andere verwandte Punkte mit abgearbeitet werden. Weitere Fragen drehten sich um den „Spurwechsel“, also die Möglichkeit für Geflüchtete in einen Titel zur Erwerbstätigkeit zu wechseln. Dies wird auch nach neuer Gesetzeslage kaum bzw. lediglich über eine abgeschlossene Berufsausbildung in Deutschland möglich sein. Für den Bereich der unqualifizierten Beschäftigung, wo es ebenfalls Engpässe gibt, wird es ebenfalls keine Erleichterungen geben. Schließlich drehten sich Fragen um den Ablauf des Verfahrens mit den beteiligten Botschaften, Ausländerbehörden und der Bundesagentur für Arbeit und wie teilweise z.B. durch Vertragsgestaltung und Lohnanpassung die Chancen auf Visaerteilung und Zustimmung erhöht werden können.

Zum Punkt Rekrutierung betonte Frau Niemann die Notwendigkeit, dass Unternehmen im Vorfeld sehr genau beschreiben, für welche Tätigkeit eine Fachkraft gesucht wird, welche Berufserfahrung und Ausbildung Voraussetzung ist und was ggf. durch Einarbeitung oder Fortbildung nachzuholen ist. Zu prüfen ist weiter die Akzeptanz der Familie und die Bereitschaft sich wirklich auf eine neue Kultur und Lebensumgebung einzulassen und die deutsche Sprache zu erlernen. Letzteres wird oft leider unterschätzt. Rekrutierungsaktivitäten kann grundsätzlich jedes Unternehmen selbst auf den Weg bringen beispielsweise durch die Teilnahme an Jobbörsen im Ausland, Ausschreibung von Positionen in sozialen Netzwerken oder Kooperationen mit Universitäten und berufsbildenden Schulen. Allerdings ist der Aufwand nicht zu unterschätzen (Beratung, Sprache, Visum, Übersetzung usw.). Dafür muss eigens erfahrenes Personal vorgehalten werden. Deutsche Betriebe sind generell attraktiv für ausländische Bewerber, wenn seriöse Arbeitsbedingungen angeboten werden und Unterstützung bei der Integration.

Frau Shishido beantwortete die verschiedenen aus dem Publikum kommenden Fragen bzgl. der Gestaltung der Pre-Boarding-, der Einarbeitungsphase und der nachhaltigen Integration. Im Falle internationaler Mitarbeiter bedarf dies besonderer Beachtung und Aufmerksamkeit. Wie die Kommunikation gestaltet werden muss, damit Verständigung von Anfang an gewährleistet ist auch wenn die sprachlichen Kompetenzen noch verbessert werden müssen, ob es in manchen Branchen größere interkultureller Sensibilisierungen braucht als in anderen, waren weitere Fragen. Häufige Reibungspunkte der Integration sind erfahrungsgemäß unterschiedliche Arbeitsstile, Erwartungen an die Führungskraft oder auch ein unterschiedliches Zeitverständnis. Hier geht es darum, dass neue Mitarbeiter*innen Ihre persönlichen, beruflichen und kulturellen Erwartungen, ihre Wünschen sowie Ihre Perspektiven mit ihrem neuen Arbeitgeber, mit der Führungskraft aber auch im Team abgleichen können. Je früher über die Erwartungen gesprochen wird, desto besser gelingt die Integration.

Damit die Beschäftigung internationaler Fachkräfte ein effektiver Lösungsschritt gegen den Fachkräftemangel werden kann, muss es, das war die Überzeugung der Experten, in allen drei Bereichen gelingen. Es braucht einen kundigen Umgang mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen, einen informierten Rekrutierungsprozess, und eine kultursensible Integrationsphase in das Unternehmen. Viele Mittelständler stehen noch am Anfang dieses Prozesses, der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft könnte hier wertvolle Informations- und Unterstützungsarbeit leisten. Dies wurde auch von Ewald Aukes betont: in den nächsten Monaten sind Verbände, Kammern und Innungen aufgerufen, kleine und mittlere Unternehmen zu informieren und zu beraten und gemeinsam mit staatlichen Stellen Strategien zu erarbeiten, damit internationale Fachkräfte den Weg nach Deutschland finden.